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Pogrome 09. / 10.11.1938 - "Reichskristallnacht in Mondorf"


Am 7.11.1938 schoss der 17jährige Jude Herschel Grynspan in Paris auf Ernst vom Rath, einen Gesandten der deutschen Botschaft. Ernst vom Rath starb am 9. November an den Folgen seiner Verletzungen.
Diesen Vorfall nahmen die Nazionalsozialisten zum Vorwand, die "Reichskristallnacht", wie sie im Volksmund noch immer genannt wird, auszurufen. Diese Pogrome sind die wohl schrecklichsten in der deutschen Geschichte. Auch die Synagoge der Mondorfer Gemeinde brannte und vier jüdische Bürger wurden verhaftet.

Im Folgenden nun eine Auflistung über die Vorgänge vom 9. und 10. November 1938 im Deutschen Reich generell und speziell in Mondorf.

30. 01. 1933:
Hitler wird zum Reichskanzler ernannt. Er zieht den antisemitistischen Gedanken hart durch; die Idee dazu stammte jedoch aus früherer Zeit.

Frühjahr 1938:
Streicher facht erneut eine antijüdische Hetzkampagne an und dringt mit seinem antisemitistischen Hetzblatt "Der Stürmer" in den Rhein-Sieg-Kreis vor.

Herbst 1938:
Göring war damals Gerneralbevollmächtigter des "Vierjahresplans". Er war dafür zuständig, die Wirtschaft "kriegsfähig" zu machen und die Juden aus der Wirtschaft zu eliminieren.

07. 11. 1938:
Herschel Grynspan, ein 17-jähriger Jude, verwundet in der deutschen Botschaft in Paris Ernst vom Rath schwer. Hierin sah Goebbels, der Proragandaminister der NSDAP, seine Chance.

09. 11. 1938:
16.30 Uhr:
Der Legationssekretär Ernst vom Rath stirbt an den Folgen seiner Schussverletzungen.
In München findet eine Versammlung der Parteiführung der NSDAP zum Gedenken des Hitlerputsches von 1923 statt.Als Hitler vom Tod des Legationssekretärs erfährt, zieht er sich zurück und unterhält sich eindringlich mit Goebbels. Anschließend teilte Goebbels den versammelten Parteiführern den Tod Ernst vom Raths mit und erzählte ihnen, dass bereits Vergeltungsschläge stattgefunden hätten. Hitler habe darauf bestanden, dass - so Goebbels wörtlich - "derartige Demonstrationen von der Partei weder vorzubereiten noch zu organisieren seien; soweit sie spontan entstünden, sei ihnen aber auch nicht entgegenzutreten."
Die Anwesenden verstanden die Rede so, dass die Partei nach außen nicht als Urheber der Demonstrationen in Erscheinung treten sollte, sie in Wirklichkeit aber organisieren und durchführen sollte.

23.00 Uhr:
Nach dem sich die Versammlung gegen 22.30 aufgelöst hatte, begaben sich die Gauleiter und SA-Führer noch in ihre lokalen Dienststellen und gaben mehr oder weniger präzise Anweisungen, gegen jüdische Geschäfte und Synagogen entsprechend loszuschlagen.

23.55 Uhr:
Zu diesem Zeitpunkt gab "Gestapo-Müller", damals einfacher Gestapo-Mitarbeiter und späterer Gestapo-Chef, folgenden Befehl:
Bei den "in kürzester Frist stattfindenden Aktionen gegen Juden, insbesondere deren Synagogen" sei darauf zu achten, dass diese nicht zerstört würden und "Plünderungen und sonstige besondere Ausschreitungen unterbunden werden".
20.000 - 30.000 "vor allem vermögende Juden" seien festzunehmen. "Die Führung der Aktionen müssten auf jeden Fall" bei der [Ge]Stapo liegen. Die SA befahl dagegen ausdrücklich: "Synagogen [...] sofort in Brand zu stecken".

Nacht vom 09. - 10. 11. 1938 :
Thorarollen wurden aus den Schreinen gerissen und entehrt, kostbare Gegenstände werden gestohlen.
Insgesamt gingen hunderte Synagogen und Gebetshäuser in Flammen auf. Tausende jüdischer Geschäfte, Häuser und Wohnungen wurden demoliert.

Pogrom in Mondorf

Auch die Mondorfer Gemeinde wurde von den Pogromen heimgesucht.
Am frühen 10. November warfen im Schutz der Dunkelheit Einheimische und Fremde Fenster der Synagoge ein und drangen in deren Innenraum vor. Augenzeugen haben diesen Vorgang beobachtet, sie haben sich allerdings aus Angst vor Verfolgung oder Gewaltakten der Nazis sich nicht getraut, die Synagoge zu verteidigen.
Dass die Synagoge gebrannt hat ist dem Landrat - anders als in anderen Gemeinden des Singkreises - zwar nicht gemeldet worden, aber es steht dennoch zweifelsfrei fest.

Im Gegensatz zu den Vorgängen in größeren Städten wurden weder die Schaufenster der jüdischen Geschäfte in Mondorf und Rheidt zerstört, noch wurde ein Geschäft geplündert. Die Aktionen in Mondorf klingen damit nicht so spektakulär wie die in den Großstädten, haben aber die jüdischen Bewohner ihres Gotteshauses beraubt und sie zutiefst getroffen.
Vier jüdische Bürger aus Rheidt und Mondorf wurden zeitweise festgenommen und erst nach Wochen wieder freigelassen, wie das folgende Dokument zeigt :

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Quelle : Stadtarchiv Niederkassel


"Gewalt beendet keine Geschichte"
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