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Ernst Levy beantragt 1935 einen Reispass
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Anschrift :

Ernst Levy

Mondorf, den 10. Oktober 1935.

Mondorf,
Provinzialstr. 53

[handschriftlich eingefügt : Jude !]

 

An
den Herrn Regierungspräsidenten
in K ö l n.

Beschwerde wegen Verweigerung eines Reisepasses.

Vor einigen Wochen habe ich beim Bürgermeisteramt Nedercassel (Siegkreis) die Ausstellung eines Reisepasses beantragt und wurde mir dort mitgeteilt, dass hierzu die vorherige Genehmigung des Landratsamtes in Siegburg erforderlich sei. Als ich mich einige Zeit darauf beim Bürgermeisteramt in Niedercassel nach dem Stand der Angelegenheit erkundigte, wurde mir erklärt, durch das Landratsamt Siegburg sei dem Antrage nicht stattgegeben worden.
Ich wandte mich daraufhin nochmals an das Landratsamt, da ich aus Gesundheitsrücksichten damals auch eine Kur in der Schweiz gebrauchen wollte und wurde daraufhin von mir die Beibringung eines amtsärztlichen Attestes verlangt. Nach Rücksprache mit Herrn Professor Dr. Jansen, Bonn, bei dem ich in Behandlung war, erklärte mir dieser, dass eine Kur in der Schweiz dringend anzuraten sei, jedoch würde eine Kur in Süddeutschland wohl auch die gleichen Erfolge bringen.
Ich habe dies dem Bürgermeisteramt in Niedercassel damals mitgeteilt und auf diese Mitteilung hin ist dann einfach mein Antrag auf Ausstellung eines Reisepasses als erledigt betrachtet worden.
Vor etwa 8 - 10 Tagen habe ich nun erneut im Bürgermeisteramt Niedercassel vorgesprochen und damals um Ausstellung eines Passes gebeten, da ich die Absicht habe, auch einen Teil meiner demnächstigen Ferien bei Verwandten im Ausland zu verbringen und wurde ich wiederum an das Landratsamt Siegburg verwiesen, wo ich dann auch persönlich vorsprach. Hier wurde mir wiederum ohne klare Begründung die Ausstellung eines Reisepasses verweigert und sehe ich mich deshalb zu der heutigen Beschwerde veranlasst.
Ich bin 21 Jahre alt, israel. Religion, bin dieses gemustert worden und wurde 1 Jahr zurückgestellt. Ich bin unbestraft und wüsste keinen Grund, weshalb mir die Ausstellung eines Reisepasses verweigert werden sollte. Aus diesem Grunde bitte ich von dort aus zu veranlassen, dass meinem Antrage nunmehr stattgegeben wird oder mir klare Gründe für die Verweigerung eines Reisepasses mitgeteilt werden.

Hochachtungsvoll

gez. Ernst Levy.


Der Regierungspräsident Köln, den 11. Oktober 1935.

Urschriftlich nebst 1 Anlage gegen Rückgabe dem Herrn Landrat
in Siegburg ergebenst übersandt zum Bericht mit Vorgängen.

 

Im Auftrage:
gez .Unterschrift.

Fristvermerk : 25. 10. 35


Der Landrat des Siegkreises.

Siegburg, den 30. Oktober 1935.

Urschriftlich nebst Anlagen
dem Herrn Regierungspräsidenten
in Köln

zurückgereicht. Levy beantragte bei der Ortspolizeibehörde Niedercassel einen Reisepass, um angeblich eine dreiwöchige Erholungsreise in die Schweiz zu unternehmen. Die Ausstellung eines Passes wurde ihm versagt, weil er der Aufforderung, ein ärztliches Attest über die Notwendigkeit einer Kur beizubringen, nicht nachgekommen ist.
L. beabsichtigt heute die Kur in Deutschland durchzuführen, jedoch will er eine Besuchsreise nach Holland unternehmen. Levy ist Jude und dürfte daher politisch unzuverlässig sein. Ausserdem ist er Dienstpflichtiger des Jahrganges 1914.
Da L. auf die Ausstellung des Passes drängt, muss angenommen werden, dass er mit seiner Reise nach dem Ausland einen anderen Zweck verfolgt, als seine Verwandten zu besuchen.
Ich bitte daher, die Beschwerde ablehnen zu wollen.

gez. Dr. Buttlar.


Der Regierungs-Präsident

Köln, den 11. November 1935.

U.R. mit 2 Anlagen dem Herrn Landrat
in S i e g b u r g

ergebenst zurückgesandt. Eine sachliche Begründung zu der Verweigerung des Reisepasses ist nicht zu erkennen. Mit der vorgebrachten Allgemeinbegründung lässt sich die Massnahme nicht vertreten. Ich ersuche ergebenst, daher noch anzugeben, welche stichhaltigen Gründe vorliegen, aus denen die Verweigerung des Reisepasses an den Antragsteller und aufgrund welcher gesetzlicher Vorschriften, hergeleitet werden kann.
Die Tatsache, daß L. Jude ist, vermag seine politische Unzuverlässigkeit nicht ohne weiteres zu dokumentieren. Diese Auffassung entspricht nur dem Allgemeinbegriff. Bei Anordnung von Massnahmen der vorliegenden Art, dürfte unter Berücksichtigung wichtiger aussenpolitischer Momente, in vernünftiger Weise zu erwägen sein, ob eine derartige Beschränkung der Bewegungsfreiheit unbedenklich und ohne abträgliche Wirkung für die Belange angeordnet und aufrechterhalten werden kann.

In Vertretung:
gez. Unterschrift.

Frist :1.12.35.


Der Landrat Siegburg, den 18. November 1935.

Ur.g.R. nebst 3 Anlagen
dem Herrn Bürgermeister
zu Niedercassel

zur Stellungnahme Übersandt.

In Vertretung:
gez .Schneberger.

Frist :25.11.35.


Der Amtsbürgermeister
als Ortspolizeibehörde:

Niedercassel, den 22. November 1935.

Urschriftlich nebst 3 Anlagen
dem Herrn Landrat
in S i e g b u r g

zurückgereicht.

Der Ansicht des Herrn Regierungspräsidenten kann ich mich nicht anschliessen. Der Beschwerdeführer Ernst Levy ist Jude und Gestellungspflichtig. Beider diesjährigen Musterung wurde er 1 Jahr zurückgestellt. Levy versuchte erst eine Auslandsreise Ausreiseerlaubnis nach der Schweiz zu bekommen, angeblich um eine Kur zu machen. Sein Arzt gibt zu, dass er diese Kur ebensogut hier in Deutschland durchführen kann. Da Levy auf diesem Wege den Pass nicht erreichen konnte, gibt er auf einmal an, er wolle zu Verwandten im Ausland. Damit liegt der begründete Verdacht vor, dass Levy ins Ausland verschwinden will um sich seiner Militärpflicht zu entziehen. Ein Vetter von ihm, der in noch grösserem Maße der NSDAP während der Kampfzeit feindlich gegenüberstand, ist schon ins Ausland geflüchtet.
Der Antragsteller will m.E. jetzt versuchen zu entkommen, weil er scheinbar eingesehen hat, dass er durch seine frühere Einstellung gegen die Bewegung evtl. noch zur Rechenschaft gezogen werden kann.
M. E. wird jeder Jude als politisch unzuverlässig anzusehen sein, sonst würde die Reichsregierung nicht gezwungen sein, Gesetze gegen die Juden zu erlassen.
Aus den angeführten Gründen muss ich dem Antragsteller die Aushändigung eines Reisepasses nach wie vor verweigern.

[Unterschrift Baumgärtl]


Der Regierungspräsident

Köln, den 9. November 1935.

 

U.R. mit 3 Anlagen
dem Herrn Landrat
in S i e g b u r g

ergebenst zurückgesandt. Der Herr Bürgermeister in Niedercassel scheint meine Verfügung vom 11. d. Mts. nicht verstanden zu haben. Auch seine neuerlichen Ausführungen bieten keine sachliche Handhabe, die Ausstellung eines Reisepasses an den deutschen Reichsangehörigen Ernst Levy in Mondorf zu verweigern.
Ich ersuche den Bürgermeister in Niedercassel anzuweisen, nunmehr den Pass ordnungsmässig auszustellen. Ueber das veranlasste erwarte ich Bericht innerhalb 2 Wochen.

In Vertretung.
gez. Unterschrift.


Der Landrat des Siegkreises.

Siegburg, den 5. Dezember 1935

 

Gegen Rückgabe mit den Anlagen
dem Herrn Bürgermeister
in Niedercassel

unter Bezugnahme auf die Verfügung des Herrn Regierungspräsidenten vom 21. 11. 1935 zur weiteren Veranlassung übersandt

Den Bericht sehe ich bis 10. 12. 1935 entgegen.

In Vertretung.
gez .Schneberger


nsdap.gif (22003 Byte)

[Abschrift des Dokuments :]

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei
Kreisleitung Siegkreis
Der Kreisleiter

Siegburg, den 2. Dezember 1935.

An den
Bürgermeister Pg. B a u m g ä r t e l
N i e d e r k a s s e l 

In der Anlage übersende ich Ihnen die Schriftstücke in Sachen Levy zurück. Ich muss mich, soweit es die Aushändigung des Passes angeht, der Ansicht des Regierungspräsidenten anschliessen, denn wir haben ja nur ein Interesse daran, wenn möglichst viele Juden Deutschland verlassen. Hoffentlich kehrt er von seinem Urlaub nicht wieder zurück.

H e i l H i t l e r

[Siegel]

[Unterschrift]
Kreisleiter

 

1). Der Reisepass wurde dem Levy ausgestellt
2). Zu den Akten

Niedercassel, den 12. Dezember 1935.
Der Amtsbürgermeister
als Ortspolizeibehörde:


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