[Antijüdische Stimmungen] [Recht des 19. Jahrhunderts] [Juden an Rhein & Sieg]  [Synagogengemeinde]

Blatt 37



No. 283

Stockem, den 1.Juni, 1843

Das Judenwesen betr.


Ad No. 2975 vom 15.April eing.
den 26.Mai a.c.


Euer .... (Hochwohlgeboren?), berichte anlaß der nebenbez. verehrl. Verf.
gehors. wie folgt.:

ad 1.
Zu Mondorf besteht eine Synagoge, die
Eigentum der im Synagogenbezirk wohnenden
Juden ist. Zu diesem Synagogenbezirk, der aus
den Ortschaften Mondorf und Rheidt in hiesiger
und Bergheim in der Brgmsterei Sieglar
besteht, wohnen jetzt 8 Judenfamilien.
Die Mitglieder dieser Familien
die vermöge ihrem Alter berechtigt sind, die
Synagoge zu besuchen und gegenwärtig in 20
Personen männlichen und 10 weiblichen Geschlechts
bestehen, halten sich ohne Ausnahme zur
jüdischen Gemeinde Mondorf.

ad 2.
Die Juden haben hier nie ein Stimmrecht
in den jüdischen Gemeindeangelegenheiten geltend
gemacht.

ad 3.
Früher und bis zum Jahr 1836 hatten die
Juden einen Vorsteher, der vom jüd. Consistorium zu Bonn ernannt war. Der
Vorsteher war verpflich-
tete, einen Vorsänger zu engagieren, der
in der Regel zugleich den jüdischen Religions-
Unterricht ertheilte. Ferner hattte der Vorsteher
das Gemeinde-Vermögen zu verwalten
und die vom jüdischen Consistorium zu Bonn erlassene Synagogen-
Ordnung zu handhaben. In letzter Zeit
sind die hies. Juden aber ohne Vorsteher ,
da dieselben das jüdische Consistorium zu
Bonn als ihre Obrigkeit in Cultussachen
nicht anerkennnen wollten, mithin zweigel-
haft war, welche Behörde zur Ernennung
von (vom?) Vorsteher competent sey.

ad 4.
Die hiesigen Juden sollen
gemäß hoher Reg.Verf. vom 6. Mai d.J.
B. (?) 7891 dem Ober-Rabbiner in Bonn
untergeordnet seyn.

ad 5.
Andere Personen, die zu dem jüdischen Cultus
in Beziehung stehen, giebt es hier nicht.

ad 6.
Das Vermögen der jüdischen Gemeinde be-
steht hier in einem Capital von 200 Thn.
welches früher der Vorsteher verwal-
tete, jetzt aber ohne Aufsicht ist.
Die hiesigen Juden werden auf den
Judenkirchhof zu Rheindorf, Brgmstrei.
Vilich beerdigt.

ad 7.
Die etwaigen Cultuskosten wer-
den von den Gemeindemitgliedern unter
sich durch freiwillige Beiträge aufge-
bracht.

ad 8.
Die Gemeinde oder ihr Vorstand übt kein
anderes geistl. Strafrecht aus, als
daß derjenige Israelit, welcher an
den Cultuskosten keinen Antheil nimmt,
von dem Genusse der Ehrenrechte in der
Synagoge, die in Segenssprüchen bestehen,
ausgeschlossen bleibt. Nach der Entscheidung des
Herr<n> Oberpräsidenten vom 20.Juli
1841 hat das jüdische Consistorium zu Bonn
bei Streitigkeiten der hiesigen Juden in
Cultussachen zu entscheiden. Die
Juden wollen sich aber diesem Spruch nicht
unterwerfen, vielmehr behaupten sie
unter das Consistorium in Düsseldorf zu
gehören.- Die hiesigen Juden gehören
ohne Ausnahme zur altgläubigen
Secte

ad 9.
Der Gottesdienst wird in hebräischer
Sprache abgehalten. Es wird nicht ge-
predigt. Wenn die Kinder 13 Jahre
alt sind, werden sie in die Synagoge
als Gemeinde-Mitglieder aufgenommen.
Die Zeremonie hierbei ist sehr einfach.
Das Kind liest ein Capitel aus
demTalmud vor und empfängt dann den Segen seines
Vaters.

ad 10.
Wenn die Gemeinde keinen jüdischen Reli-
gionslehrer hat, so pflegen sie ihre Kinder
nach Bonn zu senden.

ad 11.
Zur Unterhaltung christl. Pfarren
und Kirchen tragen die Juden nicht
bei, es sey denn, daß ein Kirchthurm
gebaut würde. -


[Streichungen sind fortgelassen.]

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"Gewalt beendet keine Geschichte"
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