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Auch „Gewalt beendet keine Geschichte“ hat eine Vorgeschichte


Ein Andenken vom Schrecken am Rhein" (1995) und „Gewalt beendet keine Geschichte" (1998) - zwei Ausstellungsprojekte mit Schülerinnen und Schülern zu Themen der Ortsgeschichte Niederkassels

Wie es begann ...

Eines Morgens im Frühjahr 1994 ... Eine kleine Notiz in der Tageszeitung fällt mir auf; darin steht zu lesen, dass die Jüdische Gemeinde in Köln auf Anfrage Gesprächspartner für Schulen und Jugendgruppen vermittelt, die den gerade hochaktuellen Film „Schindlers Liste" gesehen haben und diesen Eindruck vertiefen wollen. Genau diesen Film wollten sich die Mädchen und Jungen der 10d mit mir in Bonn im Kino ansehen, und zu einem Besuch auf dem Mondorfer Judenfriedhof hatte man mir ortsfremdem Kollegen auch geraten.

Ermunternder Zuspruch in der Schule - und die Synagogengemeinde vermittelt uns Frau Ginsburg als Zeitzeugin. Der Eindruck, den ihre Erzählung von ihrem Leidensweg aus Mönchengladbach - Rheydt nach Riga und zurück nach Köln auf die etwa 70 Schüler/-innen große Zuhörergruppe machte, war so immens, dass wir den Film bald darauf in der Aula zeigen ließen und Frau Ginsburg ein zweites Mal einluden.

Von alledem hatten auch die örtlichen Zeitungen berichtet, zum Teil in großer Aufmachung. So lud uns - eine Schülergruppe der 10d, Frau Ginsburg und mich - die Konrad Adenauer Stiftung in Wesseling im Spätsommer 1994 zu einem Lehrerseminar über die Behandlung des Nationalsozialismus ein. Den dort versammelten Kolleginnen und Kollegen riet ich - vor dem Hintergrund unserer guten Erfahrungen - dazu, auch selbst die Kontaktaufnahme zu Zeitzeugen zu suchen; der bevorstehende 50. Jahrestag des Kriegsendes sei schließlich eine gute Gelegenheit.

Aus einer Idee folgt die nächste ...

Damit war auch der Anstoß für eine weitere Arbeit in der eigenen Schule gegeben. Über die Verhältnisse während des Krieges und am Kriegsende in Niederkassel - dem Ort wo wir arbeiten und/oder leben - wusste ich nichts, veröffentlicht war (anders als z.B. über Köln) auch nichts und ausgewiesene Fachleute konnte mir auch niemand nennen. Immerhin gab es inzwischen eine Stadtarchivarin.

Als am 5. Mai unsere Ausstellung „Ein Andenken vom Schrecken am Rhein" in der Aula eröffnet werden konnte, war mit ihrer Hilfe und durch Befragung verschiedener Zeitzeugen manches erhellt worden : Zwangsarbeiter im damaligen Feldmühle - Werk (heute Evonik), Juden in Mondorf, Leben in Uckendorf, Flakstellung bei Rheidt, Kindheit und Schule während des Krieges und kurz danach, Versorgungssituation, Schicksale und Selbsthilfe, Kriegsende und Einmarsch der Amerikaner in Lülsdorf und manch anderes fand Berücksichtigung - und besonders stolz waren wir auf „unsere Bombe" im Eingangsbereich. Wiederum interessierte sich die Presse für uns, den Bericht über Lülsdorf hatten ohnehin schon fast alle regionalen und lokalen Zeitungen Anfang April abgedruckt.

Eine eindrucksvolle Meditation mit musikalischen Schülerbeiträgen und Zitaten aus dem Jugendbuch „Damals war es Friedrich" rundete diese von allen Klassen der Schule und manchen Besuchern von außerhalb besuchte Ausstellung ab.

Und doch: die Außenwirkung in die Bevölkerung war letztlich gering. Gut, dass bereits mit der Raiffeisenbank verabredet war, einen Teil des Materials im Juni in der Filiale Niederkassel für zwei Wochen zu zeigen. Naturgemäß musste sich dies weitgehend unserer Kontrolle entziehen. Beim Abbau berichteten aber mehrere Mitarbeiter der Bank, noch nie hätte eine Ausstellung bei Ihnen soviel Interesse gefunden wie diese - ein schönes Fazit für beide Seiten.

Eine andere Auswahl dieses Materials ist im November ‘97 in Heft 5 der „Niederkasseler Hefte" als erster Beitrag des Kopernikus Gymnasiums in dieser Heftreihe veröffentlicht und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden. Währenddessen ist die Fortsetzung schon angelaufen.

Vertiefung als Vorhaben

Denn von den unterschiedlichen Aspekten der 1995er Ausstellung hat einer die Betrachter emotional stark angesprochen : das Schicksal der Mondorfer Juden, 1995 dargestellt am Beispiel der Familie von Bernhard Levy. Dies weiter zu vertiefen, hatten wir uns nun vorgenommen, und das 25jährige Schuljubiläum 1998 bietet den (notwendigen) Anstoß: das Festjahr der Schule sollte mit einer Ausstellung zur Mondorfer Judengemeinde am 27. Januar 1998 - dem von der Bundesregierung deklarierten Gedenktag für die Opfer des NS - Regimes - begonnen werden. Natürlich wird auch dies wieder historisch - die von den Schülern getroffene Entscheidung für den Titel „Gewalt beendet keine Geschichte" zeigt dies -, doch diesmal arbeiten auch Gruppen im Religions-, Philosophie- und Politik - Unterricht mit : unsere Arbeit ist erfreulicherweise fächerübergreifender angelegt.

So schlägt diese Ausstellung den Bogen von der Entstehungszeit der Synagogengemeinde im späten 18. Jahrhundert bis zu ihrer gewaltsamen Auflösung durch die Nationalsozialisten; Schicksale, wie das des Heuman Coschmann im 19. und das von Walter Schmitz im 20. Jhdt. (um nur Beispiele zu nennen) runden dies ebenso ab wie Bildzeugnisse von Synagoge und Friedhof - den steinernen Zeugen eines ausgelöschten religiösen und kulturellen Lebens.

Flankiert wird der historische Teil von Ausarbeitungen über jüdische Feste und Bräuche (erstellt im kathol. Religionsunterricht), über „Rassenhygiene" (Philosophie) und Neonazis (Sozialwissenschaften) und eine Umfrage unter der Bevölkerung (Politik).

Vom Rahmenprogramm verdient die Eröffnungsveranstaltung mit Prof. H. Fischer und seinem Vortrag über „das Bild des Juden im Volksmund an der unteren Sieg" ebenso erinnernde Erwähnung wie die erneute Vorführung von „Schindlers Liste", der Gedenkmarsch der Oberstufenschüler zu Synagoge und Friedhof, die Meditation für die 9. und 10. Klassen und der Liederabend mit jiddischen Liedern und Texten.

Im November 1998 - anlässlich des sechzigsten Jahrestags der Reichspogromnacht - ist diese Ausstellung wiederum zu sehen : im Rathaus der Stadt Niederkassel. Und zu diesem Gedenktag wird, auf unsere Anregung hin und nach unserer Vorarbeit, der Bürgermeister die Angehörigen der wenigen Überlebenden der Verfolgung in Niederkassel begrüßen.

Und für das Niederkasseler Heft 6 rechnet die Redaktion bereits fest mit einer Veröffentlichung.

Mag sein, dass dieses Projekt im Jahr 2000 damit seinen Abschluss finden wird. Auch hierfür wird dann gelten, was als Schlusssätze im Heft 5 zu „Ein Andenken vom Schrecken am Rhein" formuliert ist:

Die hier dargestellten Aspekte können und sollen nicht vertuschen, dass manches bis vieles hätte gründlicher hinterfragt und recherchiert werden können und müssen. Leider ist die Geschichte Niederkassels und seiner Ortsteile insgesamt recht wenig erforscht, so dass eine diesbezügliche „Infrastruktur" und entsprechende Ansprechpartner für forschende Schüler weitgehend fehlen. Doch machte dies die Arbeit vielleicht erst reizvoll.

Die an der Erstellung beteiligten Jugendlichen jedenfalls konnten erfahren, dass man Geschichte nicht nur konsumieren, sondern auch selbst die historische Wahrheit erforschen und entdecken kann. Und zwar eine Wahrheit, die sich nicht in distanzierter Ferne, sondern hier ereignet hat - hier, wo wir heute leben und arbeiten. Nur die „Gnade der späten Geburt", um die umstrittene Formulierung in diesem Zusammenhang einmal aufzugreifen, versetzt uns - die Schüler und auch ihren betreuenden Lehrer - in die Situation, Erforscher und nicht Beteiligte dieses Geschehens sein zu können (oder zu dürfen). Gerade diese Erkenntnis scheint mir dazu angetan, die routinierte Distanziertheit, die wir alle Hiobsbotschaften aus der ganzen Welt in Vergangenheit und Gegenwart entgegenbringen, zu überwinden, und die eigene Haltung zu beeinflussen.

Und in diesem Sinnzusammenhang gibt es aus der Geschichte ausgesprochen viel zu lernen."

Und dann gilt: nicht nur aus der Geschichte ...

Mein aufrichtiger Dank für ihr Engagement gilt allen Schülerinnen und Schülern, die an diesen Vorhaben mitgearbeitet und sie durch ihr Engagement mit Leben erfüllt haben, sowie unserer Schulleiterin, Frau Seibert, ihren Stellvertretern, Herrn Anders und nach ihm Herrn Leipold, und meinen Kolleg(inn)en Frau Hasenkamp, Frau Koch, Frau v. Seggern, Herrn Gonsior, Herrn Dr. Henke und Herrn Schmitz für ihre Unterstützung

Auch den vielen Leihgebern und Informanten sei an dieser Stelle herzlich gedankt.

Georg Langen

Quelle: Beitrag für die Festschrift zum 25jährigen Jubiläum des Kopernikus - Gymnasiums Niederkassel

Nachträge aus dem Jahr 2008:

1) Die angesprochene Veröffentlichung erfolgte im Haft 6 der Niederkasseler Hefte, Niederkassel 2000: Georg Langen, Gewalt beendet keine Geschichte. Eine Projekt …, S. 129 – 178

2) Beginnend im Herbst 2008 bemühen wir uns um die Verlegung von „Stolpersteinen“ in Niederkassel.


"Gewalt beendet keine Geschichte"
© 1999/2008 Kopernikus Gymnasium Niederkassel

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